Menschen des Weges sein: Plädoyer für eine synodale Kirche  
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Dr. Angela Berlis
24/5/06

Kirche wird in unserer westlichen Gesellschaft von vielen nicht als lebendiges Gebilde, sondern als Institution, mit anderen Worten als verkrustet, starr und unbeweglich erfahren. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass für viele Menschen Kirche etwas ist, das außerhalb ihrer selbst steht. Kirche – das sind der Papst, die Bischöfe, die Priester ... aber nicht sie selbst. Hier geschieht eine Trennung zwischen Kirche als Institution, die von den Hauptamtlichen repräsentiert wird, und den Gläubigen, die sich, wenn es darauf ankommt, nicht als Teil der Kirche erfahren. Diese Unterscheidung ist nicht etwa nur bei Randkirchlichen zu finden, selbst regelmäßige Kirchgänger/innen machen in Diskussionen diese Unterscheidung zwischen der 'Amtskirche' und sich selbst. Sie bringen damit zum Ausdruck, dass sie als kleines Rädchen im Getriebe ja doch nichts ändern können. Das Gefühl der Ohnmacht überwiegt, ihre Meinung ist in wichtigen Fragen nicht gefragt; weshalb also sollen sie die Kirche als etwas empfinden, das sich von ihnen bewegen lässt?

Meinem eigenen Kirchenerleben entspricht ein solches Kirchenbild nicht, denn ich lebe in dem Bewusstsein, mit vielen anderen zusammen Kirche zu sein. In diesem Kirchengefühl weiß ich mich durch meine Vorväter und Vormütter bestärkt, die 1870 als Katholikinnen und Katholiken gegen das Erste Vatikanische Konzil protestiert und später am Aufbau der alt-katholischen Kirche mitgearbeitet haben. Diese alt-katholischen Väter und Mütter haben Mitspracherecht und Teilhabe am Aufbau der Kirche als Aufgabe und Anspruch aller Mitglieder der Kirche angesehen. Für sie waren alle Mitglieder zusammen – Laien und Geistliche, Theologen und Nicht-Theologen – das Volk Gottes.

Das Kirchenvolk und das Volk Gottes

Dies scheint mir eine erste wichtige Einsicht zu sein: Synodalität und Mitverantwortung beginnen bei der Erfahrung, nicht nur Rädchen im Getriebe, sondern selbst Kirche zu sein. Aus diesem Grund erhebt die Bewegung "Wir sind Kirche" einen außerordentlichen wichtigen Anspruch, der sich nicht nur auf die Mitglieder dieser Bewegung bezieht, sondern alle Kirchenmitglieder zu einer Bewusstseinsveränderung auffordert.

Eine weitere Voraussetzung einer synodalen Kirche ist die Frage, in welcher Beziehung Amt und Laos, Amtsträger und Laien zueinander stehen. Wird das Amt als etwas erfahren, das ausgesondert ist ('kleros'), einen besonderen Status besitzt und sich wesentlich-wesensmäßig von den Laien unterscheidet? Oder ist das Amt ein Gegenüber zum Laos, das von ihm getragen wird und dessen Funktion im Dienst an der Kirche besteht? Noch immer wird dem Amt in der römisch-katholischen Kirche ein Stellenwert eingeräumt, der es faktisch heraushebt aus der Masse des Kirchenvolks, es zu etwas Besonderem macht und ihm somit eine höhere Autorität zuerkennt. Auf der Leiter 'heiliger Macht' (nichts anderes bedeutet das Wort 'Hierarchie') wird das Amt auf diese Weise viel höher eingestuft als das Kirchenvolk. Vielleicht trägt der Zölibat zum Nimbus des Amtes bei; es fällt jedenfalls auf, dass in der alt-katholischen Kirche den verheirateten Amtsträgerinnen und Amtsträgern dieser Nimbus nicht beigegeben wird, das Amt selbst dadurch aber nichts von seinem Ansehen einbüßt.

Es ist notwendig, die tief sitzenden Bilder und Vorstellungen vom Verhältnis Amt und Kirchenvolk kritisch zu revidieren. Dazu können biblische und urkirchliche Vorbilder dienen: So könnte etwa Kirche statt als hierarchisches Gebäude als organisches Gebilde angesehen werden. Etwa als Kirche, in dem viele Glieder zusammenwirken, einander ergänzen und so die Kirche am Leben und in Bewegung halten. Das biblische Bild vom Leib Christi fällt ein, oder das Bild eines runden Tisches ohne Oben und Unten. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Rolle des Kirchenvolks theologisch neu bestimmt und dabei den Begriff vom "wandernden Gottesvolk" und dem "allgemeinen Priestertum aller Getauften" neu ins Spiel gebracht. Allerdings werden die Möglichkeiten dieses dynamischen Verständnisses nicht voll ausgeschöpft. Denn neben diesen dynamischen, biblischen Bildern wurden Restbestände des alten, hierarchischen Kirchenverständnisses, wie es vor allem beim Ersten Vatikanum (1869-70) formuliert wurde, nicht aus- und aufgeräumt.

Schöne Bilder oder Metaphern alleine genügen jedoch nicht. Denn solche organischen Bilder können dazu dienen, die Machtfrage zu verschleiern. Um diese Gefahr zu vermeiden, ist es angebracht, das Zusammenwirken der einzelnen Glieder, sprich: die Mitverantwortung und Mitbeteiligung aller an wichtigen Entscheidungs- und Lebensprozessen der Kirche, nicht vom Wohlwollen der Kirchenobrigkeit(en) abhängig zu machen, sondern ihr eine kirchenrechtliche Grundlage zu schaffen. Denn sonst können Mitarbeit und Mitreden auch wieder eingeschränkt werden, wenn Zeiten sich ändern. Indem das Mitspracherecht aller Mitglieder der Kirche auch rechtlich festgelegt wird, wird eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen, dass es zu wirklicher Mitbestimmung kommen kann. Zudem wird so die Möglichkeit eröffnet, auch die geistliche Dimension der Beteiligung der Laien wahrzunehmen.

Zentralismus

Während sich – zumindest in der westlichen Welt – ab dem 19. Jahrhundert zunehmend demokratische Werte durchgesetzt haben und demokratische Rechte als Grundrecht betrachtet werden, hat sich in der gleichen Zeit die römisch-katholische Kirche mehr und mehr vom 'demokratischen' Prinzip der Anfangszeit des Christentums entfernt. Statt dessen wurde das Papsttum in den letzten Jahrhunderten auf den Stand des frühmodernen Modells eines absoluten Papsttums, eines Souveräns 'modernisiert', ohne die weiteren Entwicklungen im weltlichen Bereich, etwa hin auf eine konstitutionelle Monarchie, die gewissen Partizipationsformen einräumt, nachzuvollziehen. Das Zweite Vatikanum hat – wie der Bochumer Fundamentaltheologe Hermann J. Pottmeyer vor ein paar Jahren festgestellt hat – eine "Baustelle" hinterlassen.(1) Behindert von den ekklesiologischen Altlasten des Ersten Vatikanums – die vor allem im Jurisdiktionsprimat und in der Unfehlbarkeit des Papstes zum Ausdruck kommen – , konnte das Zweite Vatikanum die Reform der Kirche nicht fertig stellen:

"Neben dem alten Gebäude des römischen Zentralismus des 19. und 20. Jahrhunderts erheben sich die vier mächtigen Stützpfeiler einer erneuerten Kirche und Ekklesiologie: Kirche als Volk Gottes, als Sakrament des Reiches Gottes in der Welt, als Gemeinschaft von Ortskirchen mit kollegialer Leitung und schließlich Ökumene" (95).

Es war zwar ein wichtiger Fortschritt, dass in der Konstitution 'Lumen Gentium' die Lehre vom Primat durch die Lehre vom Amt des Bischofs und vom Bischofskollegium ergänzt wurde. Der Lehre von der gesamtkirchlichen Verantwortung des Bischofskollegiums aber ist es nicht gelungen, dem römischen Zentralismus Einhalt zu gebieten. Denn die Kollegialität der Bischöfe wird nicht als Gleichrangigkeit aufgefasst (der Bischof von Rom wäre so einer unter anderen Bischöfen); statt dessen wird dem Primat immer eine eigenständige Autorität zuerkannt (99). Die Frage, ob die Bischöfe ihre Jurisdiktion direkt von Christus oder vermittelt durch den Papst erhalten, ist hier nicht gelöst (mehr Deutlichkeit verschafft Canon 375, § 2, CIC 1983).

Die alt-katholische Opposition gegen das Erste Vatikanum wurzelt letztlich in dieser Frage. Nach alt-katholischer (und altkirchlicher) Ansicht sind die Bischöfe alle gleich, einen Bischof, der auf juridischer Grundlage über den anderen steht, kann es nicht gegen. So wird hier Kollegialität im Sinne einer radikalen (= an der Wurzel her ansetzenden) Gleichrangigkeit vertreten. Dabei besteht die Möglichkeit eines Ehrenprimats, d.h. eine primus inter pares ('erster unter gleichen'). Dieser Ehrenprimat beruht jedoch nicht auf einem juridisch gesichertem Vorrang, sondern auf moralischer Autorität und auf Anciennität des römischen Bischofssitzes. Die Souveränität des Papstes in puncto Jurisdiktionsprimat wird durch das Zweite Vatikanum und die Lehre des Bischofskollegiums nicht in Frage gestellt: die Handlungsfreiheit des Papstes wird hingegen deutlich betont.

Die Entwicklungen der jüngsten Zeit zeigen, dass in Fragen der Gesetzgebung und der ordentlichen und unmittelbaren Jurisdiktion des päpstlichen Souveräns in einzelnen 'Teilkirchen' die Frage der kollegialen Mitwirkung des Bischofskollegiums kaum je eine Rolle spielen. (Der Begriff 'Teilkirche' ist eigentlich ein Widerspruch in sich selbst. Denn jede Ortskirche ist an sich Kirche im vollen Sinne des Wortes; durch die jurisdiktionelle Anbindung an den römischen Primat jedoch werden einer solchen Ortskirche wesentliche Teile bzw. Funktionen ihres Kircheseins weggenommen, so dass sie lediglich eine 'Teilkirche' sein kann. Obendrein widerspiegelt der Begriff die Perspektive vom Zentrum her).

Das dargelegte Verständnis des römischen Zentralismus ist letztlich auch entscheidend über die Art und Weise, wie Konziliarität in der Kirche Form annehmen kann. Die Frage der Konziliarität sei anhand der Frauenordination näher dargelegt.

Konziliarität, dargelegt am Beispiel der Frauenordination

Konziliarität kann verstanden werden als die Bereitschaft, sich auf einen gemein­sa­men Lernprozess einzulassen, sich auf die Suche danach zu machen, was vom gemeinsamen Ursprung her verbindet und wie Tradition sich unter den heutigen Umständen und Anforderungen verwirklicht. Es bedeutet, miteinander zu beraten und einander Einsichten, Ängste und Erfahrungen mitzuteilen. In einer wichtigen Frage wie der Frauenordination, die heute viele Kirchen gleichermaßen beschäftigt, kann es nicht darum gehen, dass eine Instanz von vorne herein das Ergebnis eines solchen Beratungsprozesses kennt oder gar festzulegen versucht. Ein orthodoxer Theologe wie der Amerikaner Thomas Hopko hat die Art und Weise, wie Rom die Frage der Frauenordination seit 1994 definitiv zu lösen versucht hat, scharf kritisiert. Für ihn, der selbst gegen die Einbeziehung von Frauen in die kirchlichen Ämter ist, ist dennoch klar, dass ein Meinungsbildungsprozess zu geschehen hat, der die einzelnen Glieder des Volkes Gottes ernst nimmt. Wichtig an dieser Ansicht, die auch von anderen geteilt wird, ist, dass darin ein bestimmtes Verständnis von Konziliarität zum Ausdruck kommt. Konziliarität heißt, dass Stimmen aus dem ganzen Kirchenvolk gehört werden; es heißt, dass auch das schweigende Zeugnis der zur Stummheit verurteilten Theologinnen und Theologen Gehör findet und nicht von vorne herein mit der Androhung von Sanktionen zum Verstummen gebracht wird. Eine in diesem Sinne beschriebene Konziliarität hätte zugegebenermaßen keine rechtlich verpflichtende Autorität. Aber zeigt nicht gerade die Diskussion um die Frauenordination wie kaum eine andere das Scheitern autoritativ verordneter Lösungen auf? Ohne einen vorangegangenen 'konziliaren Prozess' ist jede autoritative Entscheidung in dieser Frage unglaubwürdig; andererseits gewänne die kirchliche Obrigkeit, wenn sie eine konziliare Konsultation in Gang setzen würde, eine hohe moralische Autorität. Die Art und Weise, wie die Spannung zwischen Konziliarität und autoritativer Entscheidung gelöst wird, ist sowohl intern als extern richtungweisend für die Zukunft: erstens, für die weitere Behandlung der Frauenfrage innerhalb der betreffenden Kirche – in vielen Kirchen wird die Frage der Zulassung von Frauen in die Ämter als 'Gretchenfrage' angesehen, wie Frauen in der Kirche behandelt werden – und zweitens für die ökumenischen Beziehungen der Kirchen untereinander.

Konziliarität zu praktizieren und auf diese Weise geeignete Formen für den innerkirchlichen und den ökumenischen Austausch miteinander zu finden, der allen Beteiligten und allen vertretenen Positionen gleiches Rederecht zugesteht, ist umso wichtiger in einer Zeit, in der ein wahrhaft Ökumenisches Konzil aller Kirchen nicht absehbar ist. Bei einem solchen Konzil kämen alle Kirchen zur Beratung zusammen. Es wäre denkbar, dass der Bischof von Rom bei einem solchen wahrhaft Ökumenischen Konzil den Vorsitz haben würde, aber dies hieße nicht, dass seine Vorgaben von vorne herein maßgeblich sein würden. Dieses Verständnis des Konzils ist mit dem heutigen primatialen Anspruch des Papstes, sofern dieser lediglich als nach innen gerichteter Primatsanspruch verstanden wird, nicht kompatibel.

Synodalität

Im Gegenzug zur Entwicklung der Vormachtstellung des Papsttums wurde in der Kirche immer wieder rekurriert auf Synodalität. Synodalität ist nicht zu verwechseln mit Demokratie. Demokratie hat im politischen Bereich seine Berechtigung. Synodalität besteht nicht darin, dass die Interessen Einzelner oder von Gruppen im Vordergrund stehen. Es wird nicht im Sinne eines Parlaments um Mehrheiten gekämpft. Es geht auch nicht darum, dass die Opposition argwöhnisch den Kurs der Regierungspartei im Auge behält. Synodalität heißt – der griechischen Wortbedeutung entsprechend – gemeinsam auf dem Weg zu sein. Synodos ist Versammlung, aber auch Weggenossenschaft. Das ganze erinnert an eine Reisegesellschaft, die auf dem Weg ist, eine Weggemeinschaft. In der Apostelgeschichte wurden diejenigen, die sich zu Jesus, dem Gekreuzigten und dem Auferstandenen bekannten, als 'Leute vom (neuen) Weg' bezeichnet.

In der alt-katholischen Kirche etwa kommt Synodalität zum Ausdruck in gemeinsamer Entscheidungsfindung durch gemeinsames Gespräch und Gebet. Synodalität ist verbunden mit Handlungen, wie etwa der Wahl des Bischofs oder anderer kirchenleitender Organe.

Im folgenden seien ein paar allgemeine Kennzeichen von Synodalität genannt.

  • Synodalität setzt Einübung voraus. Sie will gelernt sein, ähnlich wie sich Menschen nach einer Diktatur die Grundlagen der Demokratie aneignen müssen.
  • Synodalität geht vom Zusammenwirken des ganzen Gottesvolkes, von Laien und Geistlichen aus. Die Stimme des einen wiegt dabei nicht schwerer als die eines anderen. Stimmen gewinnen kann, wer andere überzeugt, nicht wer anderen gegenüber auf seine Stellung pocht.
  • Synodalität setzt ein kritisches Bewusstsein von Macht voraus: Es geht nicht darum, dass die, die am besten oder am lautesten reden können, am Ende den Sieg davon tragen dürfen. Es muss dafür gesorgt werden, dass auch Minderheiten und Minderheitsmeinungen zu Wort kommen können und Gehör finden. Denn es geht nicht um Majorisierung in einer Frage, sondern darum, dass am Ende ein Konsens gefunden wird, der auf Einmütigkeit beruht und deshalb eine breite Tragfläche besitzt. Letzteres ist obendrein entscheidend dafür, dass die Umsetzung der Entscheidung im kirchlichen Leben gelingen wird. Gesamtkirchlichen Meinungsbildungs­pro­zesse sind die Voraussetzung für synodale Entscheidungen. Sie brauchen oft Zeit zu reifen.
  • Synodalität setzt Mündigkeit voraus. Es geht dabei nicht nur um das Wissen um die eigenen Rechte und Pflichten, um das den-Mund-auftun, wo es um das aus eigenem Gewissen heraus Erkannte geht, sondern auch darum, Verantwortung zu übernehmen, wo dies möglicherweise für einen selbst (aus Zeitgründen, wegen Arbeitsüberlastung, aber auch wegen Konflikten) unbequem sein kann.
  • Synodalität setzt Subsidiarität voraus: das heisst, Verantwortlichkeiten auf der einen Ebene werden auch dort wahrgenommen und nicht auf eine höhere Ebene 'abgeschoben' (oder von einer höheren Ebene ursurpiert).
  • Synodalität heißt, den Unterschied zwischen 'Macht' und 'Autorität' zu benennen. Autorität ist nicht etwas Gegebenes, sonder immer etwas Zuerkanntes. Autorität setzt deshalb ein Gegenüber voraus, das die Autorität anerkennt. Mit synodalen Entscheidungen, zum Beispiel der Wahl in bestimmte Gremien oder der Wahl eines Bischofs, wird dem/der Gewählten ein gewisser, der Funktion eigener Handlungsspielraum zuerkannt. Es geht dabei nicht um absolute Handlungsfreiheit, sondern um synodal delegierte(s), aber auch um synodal zu verantwortende(s) Handeln und Autorität. Autorität und Macht sind somit eingebunden in ein Kräftegleichgewicht ('balance of powers'). In der alt-katholischen Kirche kommt dies etwa im Selbstverständnis als bischöflich-synodale Kirche zum Ausdruck.
  • Synodalität setzt Leitungsstrukturen voraus, die Leitung als Dienst, das heisst, in erster Linie als Hören und in zweiter Linie als Handeln und Sprechen aufgrund des Gehörten verstehen. Einer solchermassen verstandenen Kirchenleitung wird es ein Anliegen sein, den Glauben in einer kirchlichen Sprache zu verkünden, die die Erfahrungen und das Lebensgefühl heutiger Menschen ernst nimmt.
  • Synodalität bedeutet letztlich, 'wir sind Kirche' zu praktizieren. Allerdings heißt dies auch, dass die eingangs beschriebene Einstellung, Kirche außerhalb sich selbst zu verorten oder immer über 'die da oben' zu schimpfen, damit abgetan hat.

An dem Maße, wie Synodalität in einer Kirche praktiziert wird, zeigt sich die Wertschätzung der Laien in der Kirche.

Der Name sagt es bereits: Eine synodale Kirche ist eine Kirche, die unterwegs ist. Eine solche Kirche wird dem Bild des pilgernden Gottesvolkes und dem damit verbundenen Anspruch eher gerecht als eine Kirche, in der Mitreden und Leitungsbeteiligung oftmals eher als 'Schreckgespenster' angesehen oder sogar verhindert werden. Eine synodale Kirche ist eine Kirche, die den Aufbruch in die Welt von heute nicht scheut, sondern sich die Erfahrungen und Einsichten ihrer Mitglieder dabei zunutze macht. Eine Kirche, die auf dem Weg ist, ist eine Kirche, die bereit ist, sich einzulassen auf das, was ihr am Weg begegnet; sie setzt dies in Beziehung zu dem, was sie mitbringt. Eine Weg-Kirche weiss das Überlieferte wertzuschätzen und ist offen für das Neue: sie ist traditionsbewußt und innovativ.

Bischofswahl

Die Bewegung 'Wir sind Kirche' setzt sich für die Mitwirkung der Ortskirchen bei römischen Bischofsernennungen ein. Sie tut dies zu Recht und geht dabei von dem Grundsatz aus, den Päpste wie Coelestin I. und Leo der Grosse im 5. Jahrhundert selbstverständlich vertraten: "Wer allen vorstehen muss, muss von allen gewählt werden".

Doch lässt sich dieser Grundsatz noch deutlicher formulieren:

"Tausend Jahre und länger, ... noch im zwölften Jahrhunderte galt auch in der abendländischen Kirche vom kirchlichen Standpunkte aus nur diejenige Wahl eines Bischofs als legitim, d.h. als der im Auftrage Jesu Christi von den Aposteln getroffenen Anordnung gemäß, welche durch Clerus und Volk vollzogen war".(2)

Es sollte nicht vergessen werden, dass auch der Papst bis zum 11. Jahrhundert vom römischen Klerus und Volk gewählt wurde. Erst danach übernahm es das Kollegium der Kardinäle, die Wahl vorzunehmen. Diese Kardinäle brauchten in der Anfangszeit nicht Bischof zu sein. Wäre es nicht ein Entgegenkommen an das heutige Repräsentationsdenken, wenn das Kardinalskollegium nicht nur aus Bischöfen, sondern wie früher auch aus Priestern und Diakonen, zusätzlich aber auch aus Vertretern religiöser Orden und aus Laien bestehen würde? Die renommierte Neutestamentlerin und feministische römisch-katholische Theologin Elisabeth Schüssler Fiorenza hat vor einigen Jahren gefordert, dass auch Frauen Kardinäle werden sollten.

"Die Ernennung von Frauen zu Kardinälen würde dem frauenfeindlichen Virus 'den Garaus machen', der unsere Kirche heimsucht und zu ihrer Lähmung führt. Sie würde auch Frauen demokratische Wege eröffnen, über das Amt des Papstes und somit über die Zukunft der Kirche mitzuentscheiden".(3)

Angela Berlis



1 Hermann J. Pottmeyer, Die Rolle des Papsttums im Dritten Jahrtausend, (QD 179), Freiburg – Basel – Wien 1999, 95. Die folgenden Zahlen in Klammer beziehen sich auf dieses Buch.

2 So Joseph Hubert Reinkens, katholischer Bischof für die Alt-Katholiken in Deutschland, in seinem ersten  Hirtenbrief 1873, in: Hirtenbriefe von Dr. Joseph Hubert Reinkens, katholischem Bischof der Altkatholiken des Deutschen Reichs. Nach dessen Tode herausgegeben von der Synodal-Repräsentanz, Bonn 1897, S.1.

3 Elisabeth Schüssler Fiorenza, Der Kaiser hat ja nichts an, in: Concilium 35 (1999), 327-335, hier 333.

­­­­­­­­­­­­__________

Dr. Angela Berlis, alt-katholische Theologin und Priesterin, ist Sonderprofessorin für alten katholischen Kirchenstrukturen an der theologischen (Sub)Fakultät der Universität von Utrecht (Niederlande). Sie ist gleichzeitig Rektorin des Alt-Katholischen Seminars in Utrecht und arbeitet derzeit an einem Forschungsprojekt an der Fakultät für Theologie und Religionswissenschaften der Universität von Tilburg (Niederlande) über die Aufhebung der Zölibatspflicht in der Alt-Katholischen Kirche (Utrechter Union). Sie ist Vorsitzende des Interuniversitären Theologischen Frauennetzwerkes (IWFT Vrouwennetwerk Theologie) in den Niederlanden.

Sie hat diesen Beitrage bereits im Jahr 2002 für die Internationale Bewegung "Wir sind Kirche" (IMWAC) verfasst, zur Vorbereitung des Konklaves für die neuen Papswahl die nur stattfand nach den Tod von Papst Johannes Paul II in 2005.


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