Antwort des Ordensmagisters der Dominikaner  
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Carlos A. Azpiroz Costa, o.p.
2/2/08

ORDO FRATRUM PRAEDICATORUM
Curia Generalitia

 

Rom, 7. Januar 2008
Fest des Hl. Raymundus von Peñaforte OP

Prot. n. 17/08/28 PO

An alle, die das von der niederländischen Provinz publizierte Dokument Kerk an Ambt empfangen haben.

Der Magister und die Generalkurie des Ordens der Predigtbrüder.

Anfang September 2007 hat die Dominikanische Provinz der Niederlande die Broschüre Kerk en Ambt veröffentlicht und an alle Pfarreien der Niederlande versandt. Ferner wurde die Broschüre durch Nachrichtenmedien und Internet außerhalb der Niederlande verbreitet. Diese Broschüre hat auf der ganzen Welt verschiedene Reaktionen hervorgerufen.

Deshalb hält es die Generalkurie des Ordens nach einem Gespräch mit unseren Niederländischen Brüdern für notwendig, unsere Position in einer offiziellen Antwort zu formulieren. Zwar fühlen wir in der Sorge um den Mangel von geweihten Priestern für den Dienst am Volk Gottes mit, wir sind aber nicht der Meinung, dass die von unseren Brüdern vorgetragenen Vorschläge mit der andauernden und authentischen Tradition der katholischen Kirche übereinstimmen. Ferner sind wir der Meinung, dass es nicht ihre Sache ist, zu einer pastoralen Aktion aufzurufen, die sich gegen die Praxis der Kirche richtet.

Die beiliegende Antwort von Pater Hervé Legrand OP, ordentlicher Professor am Institut Catholique Paris und als französischer Ekklesiologe bekannt, teilt hiermit den offiziellen Standpunkt der Ordenskurie mit. Wir betrachten diesen Beitrag als Kritik am Standpunkt unserer Niederländischen Brüder, sind aber bereit, über alternative Lösungen für die schweren Probleme nachzudenken, mit denen die Niederlande und andere Teile der Welt zu tun haben. Doch hat die Suche nach einer Lösung innerhalb des Glaubens der Kirche zu geschehen und auch diejenigen einzuschließen, die dafür im Orden und in der Kirche eine eigene und ordentliche Vollmacht haben.

Hochachtungsvoll

 

Br. Carlos A. Azpiroz Costa OP
Ordensmagister
und der Generalrat des Ordens der Predigtbrüder

 

Convento Santa Sabina (Aventino) – Piazza Pietro d’Illiria, 1 – 00153 ROMA
( +39 06 57940 204 - FAX  +39 06 575 0675 – e-mail  s.usa@curia.op.org

 

Der Text der Niederländischen Provinz über
“Geweihte Ämter und Eucharistie

(Ekklesiologische Lesung von Hervé Legrand OP auf Bitten des Ordensmagisters)

Angesichts des großen Priestermangels in der niederländischen Kirche versandte die Provinz der Dominikaner offiziell an 1300 Pfarreien des Landes einen Report, der sie dazu aufforderte, die Feier der Eucharistie von nichtordinierten Christen leiten zu lassen („We urge parishes to act in this way“, S. 29); dies für den Fall, dass der Bischof die Weihe eines von den Pfarreiangehörigen dazu designierten Pfarrmitglieds ablehnen sollte(1).

Dieser Report wurde vom Provinzial und seinem Rat erbeten, von ihnen „angenommen“ und auch verbreitet. Er beginnt mit einer Einleitung, die klarstellt, er sei „nicht als eine Direktive (‚guideline’) oder als ein Vorschlag zur Lehre zu verstehen, sondern als ein Beitrag zur Erneuerung und Vertiefung der Diskussion“ (S. 6). So formuliert macht diese Präzisierung bei jedem aufmerksamen Lesers zwei Überlegungen erforderlich.

Erste Überlegung. Diese Erläuterung lag nahe, denn mit oder Assistenz des Rates hat der Provinzial eines Ordens als solcher weder die Kompetenz noch die verantwortliche Pflicht, den Pfarreien eines gesamten Landes Direktiven zu geben(2); erst recht hat er ihnen nicht zu empfehlen, gegen die allgemeine Lehre der katholischen Kirche zu handeln. Natürlich ist es legitim, zur Vertiefung eines schwerwiegenden und schlecht gelösten Problems eine Debatte anzustoßen. Das kanonische Recht sichert den Katholiken diese Freiheit(3) zu und macht dies unter gewissen Umständen sogar zur Pflicht(4). Schon das Neue Testament ermuntert Menschen dazu, die eigenen Meinungen dem Urteil anderer Christen zu unterwerfen: „Ich rede doch zu verständigen Menschen“, schreibt Paulus an die Korinther, und ohne Zögern fügte er hinzu: „urteilt selbst über das, was ich sage(5). Dabei ging es genau um das Herrenmahl. Ein Rat an die Thessalonicher ist ebenso bekannt: „Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles, und behaltet das Gute! Meidet das Böse in jeder Gestalt(6).

Zweite Überlegung. Es erstaunt zu sehen, dass der Provinzial und sein Rat einen Report als ‚Einladung zum Dialog qualifizieren, der in Wirklichkeit dazu auffordert, vollendete Tatsachen zu schaffen. Sie erwarten vom Report die Vertiefung der Diskussion, während der Report sich schon im Stadium der Aktion ansiedelt. Mehr noch, wie kann man ohne jeden Anhalt in der Tradition dazu aufrufen, die Eucharistie in einer Weise zu feiern, die der katholischen Lehre widerspricht? In der Tat ist das Herrenmahl nicht nur eines der sieben Sakramente. Es ist das Wichtigste unter ihnen und sogar das Sakrament der Einheit des Christen. Wie kann man also der Meinung sein, eine solche Verbreitung (des Textes) sei in keiner Weise eine Positionsbestimmung in der Lehre? Wenn diese Methode keine Heuchelei oder ein innerer Widerspruch sein soll, dann beinhaltet sie zumindest eine paradoxe Kommunikation(7).

Nachdem über diese Methode jetzt eine Debatte in Gang kam, ist sie nach klaren und angemessenen Regeln zu führen. Zu diesem Zweck sei hier eine kritische Analyse des Reports im Blick auf die Regeln der Kommunikation vorgelegt. Sie setzen voraus, dass alle Betroffenen gehört werden. Dabei sind Methoden anzuwenden, die es ermöglichen, die aufgeworfenen Fragen mit größtmöglicher Klarheit und unter Berücksichtigung der verschiedenen erforderlichen Kompetenzen zu behandeln. Falls dies nicht geschieht, wird man vergebens Überzeugungen einander gegenüberstellen und am Ende wird eine allgemeine Frustration entstehen ohne jeden Nutzen für eine Situation, die nach Erbarmen ruft.

I. Das pastorale Chaos der Niederlande rechtfertigt den Notschrei der Autoren dieses Textes: es ist ein Schrei des katholischen Gewissens. Unabhängig vom inneren Wert der theologischen und pastoralen Argumentation ist dies anzuerkennen.

Die im Report aufgeführten Statistiken, die ich nicht verifiziert habe, sind beeindruckend. Man braucht nur festzuhalten, dass in der Diözese Groningen die Hälfte der sonntäglichen Feiern ohne Anwesenheit eines Priesters stattfindet. Im Bistum Den Bosch gab es im Jahr 2004  95 Eucharistiefeiern weniger als im vorhergehenden Jahr und kamen 50 Wort- und Kommuniondienste hinzu.(8).

Auch lässt der Report eine in ihren theologischen Begriffen immer ärmere Wahrnehmung der liturgischen und ekklesiologischen Realitäten erkennen. Man ist noch weit entfernt vom Klima, das die berühmte Antwort der Presbyters Saturninus bezeugt, der in der Zeit des Diokletian entgegen dem kaiserlichen Edikt bei sich die christliche Gemeinschaft im Wissen darum versammelte, dass dies für ihn das Todesurteil bedeutete: „Bei vollem Bewusstsein haben wir das Herrenmahl gefeiert ... Ohne Herrenmahl können wir nicht sein (Sine Dominico esse non possumus)“(9). Heute konzentrieren sich die Diskussionen um die Vollmachtsfrage: Wer hat die Vollmacht zur Konsekration? Wer hat die Macht, die Amtsträger zu designieren? Oder zum Stand der Amtsträger: Können sie verheiratet sein? Müssen sie zölibatär sein? Männer? Frauen? usw.

Die beschriebene pastorale und theologische Situation scheint genauso verwirrend zu sein wie in den ersten Jahrzehnten der Reformation im 16. Jahrhundert. Jedenfalls habe ich es so gefühlt.

Man versteht also, dass der Provinzial und sein Rat es auf Bitten des Provinzkapitels auf sich nahmen, einen Notschrei auszustoßen, so schwerwiegend ist die Situation. Der Magister des Ordens und sein Rat haben ihrerseits die Situation zur Kenntnis genommen reagiert, die Provinzial und Rat dazu brachte, aber zugleich baten sie um weitere Aufklärung über den Inhalt des Reports beraten, dessen Inhalt sie nicht zustimmen können.

Hier wird die Analyse eines Theologen vorgelegt, der vor allem über die Theologie der Kirche als einer praktischen und dogmatischen Disziplin nachgedacht hat. Das Provinzialkapitel hatte „ein Komitee oder eine aus Experten bestehende Arbeitsgruppe“ gefordert, (...) „um die theologischen Aspekte der Frage zu untersuchen(10). Die Lektüre der 25 Seiten des Reports hinterlässt den Eindruck eines wirklichen Mangels an kritischem Geist (II), der die Gesetze der Kommunikation kaum ernst nimmt. Verglichen mit den Möglichkeiten, die die Theologie anbietet, sind die Lehraussagen viel zu massiv (III).

Diese beiden Schwächen machen es unmöglich, dass dieser Report sein Ziel erreicht. Wir werden darlegen, warum.

II. Eine unzureichend kritische Reflexion

Will man sehr entfernt liegende pastorale Positionen einander annähern, sind die theologische Argumentation und die Kunst der Kommunikation miteinander zu verbinden. Man kann es nicht bei ungeprüften allgemeinen Ideen belassen. Solange eine kritische Begrifflichkeit fehlt, die die Komplexität der Wirklichkeit berücksichtigt, wird man keinen Erfolg haben.

2.1. Mangel an kritischer Begrifflichkeit

Der ganze Report ist um den Gegensatz von Basis und Hierarchie herumgebaut. Kann man einer so allgemeinen und simplen Idee vorbehaltlos zustimmen? Auf 21 Seiten findet man:

- 28 mal den Begriff der offiziellen Autorität (oder seiner Äquivalente: „church authority“, „church officials“, „higher authority“, etc.). Zwei Bemerkungen legen sich angesichts dieser Wiederholung der Worte nahe:

1.) Die Anwendung dieser Begriffe ist beinahe ausnahmslos pejorativ. Die Autorität wird gleichgestellt mit Blockade (S.10, Ende Abs. 2), verboten (S.10, letzter Abs.), Hindernis (S.12, Z. 1), Unmöglichkeit (S. 12, letzte Z.) usw.

2.) Ferner geht man davon aus, die im Report die „offiziellen Träger der Autorität“ genannten Christen seien alle mit allem einverstanden. Das ist wenig wahrscheinlich. Sie werden nur selten personalisiert. Ein einziges Mal wird ein Bischof als solcher genannt (S. 7). Sie würden, so die Behauptung, die „gemeinsame Glaubenserfahrung“ („faith community experience“) ignorieren. Dabei wird diese Erfahrung so hochgeschätzt, als hätte sie prinzipiell immer recht. In der Tat:

- stellt der Report 22 mal das Obere („official authority“), das immer negativ ist, dem Unteren (below“; „grassroots“, „faith community level), das immer positiv ist, gegenüber.

Diese Entgegensetzung, 50 mal auf 21 Seiten (also mehr als zweimal pro Seite) wiederholt, wird sich einem jeden unbefangenen Leser einprägen. Sie wird niemanden zur Suche eines Dialogs mit der „offiziellen Autorität“ ermutigen, was doch das Ziel des Provinzialkaptitels ist.

Erstes Defizit: Der Report diskreditiert a priori einen Teil der interessierten Gesprächsteilnehmer. Kann der Report dazu verhelfen, den Dialog mit allen in Gang zu bringen, den das Provinzkapitel forderte?

Sehen wir von der Intention seiner Verfasser einmal ab: Der Report gibt nicht allen das Wort. Die erwähnte Enquete („soundings“, S. 15) sagt nichts über ihre Methode, über die Zusammenstellung der befragten Personengruppe und gibt keine einzige Zahl. Wenn man also den Eindruck erweckt, die „Basis“ stehe allen Zielen des Reports „global“ und ohne Differenzierung wohlwollend gegenüber, dann wird dies die Skepsis eines jeden mittelmäßig kritischen Geistes hervorrufen und keinen offenen Dialog begünstigen(11).

Hinzu kommt, wie schon gesagt, dass der Report die Bischöfe als solche disqualifiziert: als anonyme Verwalter und Legalisten, weit entfernt vom Glaubenssinn der Gläubigen. Sie können nur „untersagen, blockieren, Hindernisse aufrichten und alles unmöglich machen“ (vgl. die oben genannten Ziffern). Welche Lust sollen die so Behandelten noch haben, ihren Gesprächspartnern zu begegnen? In der Sprache der Kommunikationswissenschaft: wenn man selber verunmöglicht, was man fordert, vollzieht man eine „self-fulfilling prophecy“!

Man ist also weit vom Wunsch des Provinzialkapitels entfernt: „einen offenen Dialog zu schaffen, an dem alle interessierten Parteiern teilnehmen können“ (12). 

Zweites Defizit: Indem der Report der „Basis“ alle Qualitäten zuschreibt, die man früher dem „Gipfel“ zuschrieb, begnügt er sich damit, die Problematik, die bekämpft wird, umzukehren, ohne eine Hilfe zu ihrer Überwindung anzubieten.

Der Report beklagt die Opposition zwischen der Basis und der Hierarchie(13), aber überwindet sie nicht. Es ist, als hätte man eine Sanduhr umgedreht, aber derselbe Sand weiterhin nach unten rinnt.

Auch das lässt sich verifizieren: Die „Kirche von unten“ wird 22 mal erwähnt, und zwar immer positiv, während von den 28 Erwähnungen der „Kirche von oben“ 24 negativ und nur 4 positiv sind. Die einzige, oft wiederholte Lehre des Vaticanum II, an der festgehalten wird, ist die aktuelle Abfolge des 2. und 3. Kapitels von Lumen Gentium, womit die kirchliche Pyramide umgedreht worden sei. Wenn man „die Diskussionen auf einer tieferen Ebene erneuern“ will(14) - wie es das Provinzialkapitel verlangt -, reicht dann diese simple Umkehrung der Pyramide aus?

Drittes Defizit: Eine systematische, aber wenig realistische Wertung der Tugenden der Basis

Ein wenig Vertrautheit mit den Humanwissenschaften hätte es vermeiden können, dass der Report der „Basis“ einen Kredit gibt, der viel mehr einer Meinung (croyance) oder einer Ideologie als einer wissenschaftlichen Analyse vertraut, die die Geschichte der Soziologie einbezieht.

Die wirkliche Geschichte zeigt, dass die soziale Basis wissenschaftliche Fortschritte ablehnen kann: Fortschritte wissenschaftlicher (z.B. Darwin und Pasteur), technologischer (Ablehnung von Maschinen) oder sozialer Art (Ablehnung der Schulpflicht oder der sozialen Gesetzgebung). Dieselbe Haltung ließe sich auf dem Gebiet der Kunst (z.B. der Malerei) oder der Politik (Populismus und Fremdenangst) zeigen...

Im Leben der Kirche sind vergleichbare Haltungen festzustellen: Ablehnung der wissenschaftlichen Exegese oder Neigung zu Wundern (Pseudoerscheinungen); noch schlimmer: Unter distanzloser Berufung auf die Demokratie hat der deutsche Lutheranismus in die Katastrophe geführt. In Erinnerung daran, dass sich der christliche Glaube nicht mit den Meinungen der Basis vermischen dürfe, auch wenn sie die Mehrheit erreichen, retteten K. Barth, D. Bonhoeffer und andere dessen Ehre, indem sie die Bekennende Kirche gründeten.

Auch erkenntnissoziologisch gesehen fällt der Report mit seiner Hochschätzung der Basis einem blinden Fleck zum Opfer. Seine „Parallele“ hat dies in der Weise, wie der Report die Lehre des 2. Vaticanum präsentiert, so als wären die Laien allein das Volk Gottes, das doch immer den Episkopat mit einschließt.

In Begriffen der Kommunikation ist noch auf ein viertes Defizit hinzuweisen.

Viertes Defizit: Der Report vermischt zu viele verschiedenartige Fragen miteinander, dies mit der vorhersehbaren Folge, dass keine von ihnen beantwortet wird.

Am Ende formuliert der Report das normative Kriterium für den Ausweg aus der Krise wie folgt: „Ob sie (= die Vorsteher bei den örtlichen Eucharistiefeiern) Frau, Mann, homo- oder heterosexuell, verheiratet oder unverheiratet sind, spielt keine Rolle“(15).

Der Report lädt zur brüderlichen Debatte ein, lassen wir sie also führen. Es ist in der Tat wichtig, in einer solchen Krisensituation Kriterien für die Lösung zu finden. Treu zur Berufung der Predigerbrüder optiert der Report für eine Haltung, die man „prophetisch“ nennen könnte, konkret für eine Streitlust, die jedes Vorurteil überwinden will, eine Streitlust, die in den zeitgenössischen Medien – wohlgemerkt des Westens - sehr verbreitet ist. Denunziert werden die Archaismen der katholischen Kultur mit all ihren ungerechten, arroganten und verletzenden Haltungen gegenüber Verheirateten, Frauen und Homosexuellen. Es sei so, aber debattieren wir auch über die Methode, die darin besteht, ein solches Kriterium a priori normativ zu formulieren.

Erster Punkt der Debatte: 1.) eine solche Haltung widerspricht dem vom Provinzialkapitel formulierten Ziel: „einen offenen Dialog zu schaffen, der nach allen Parteien hin offen ist, die daran teilnehmen möchten.

Man beschließt also, dieses Kriterium sei in die Tat umzusetzen und bittet seine Gesprächpartner inständig, das Kriterium zu akzeptieren und darüber nicht zu diskutieren! Übrigens wechselt der Report konstant zwischen Analyse und Normativität(16). Expertise und Prophetie sind sicher legitim und notwendig; aber ihre Vermischung führt zur Frage: Kann man zugleich Experte, Vorkämpfer und Entscheidungsträger sein?

Ohne Max Weber gelesen zu haben weiß man, dass das unmöglich ist. Die Regierungen vermeiden es in der Regel, einen Bauern zum Agrarminister zu ernennen! Wenn man wirklich einen offenen Dialog will, muss man Experten, Vorkämpfer und Entscheidungsträger an einen runden Tisch setzen. Im Report hingegen beherrscht das militante Wort das ganze Terrain mit dem klar vorhersehbaren Risiko, dass er zum Rufer in der Wüste wird! Diese Gesetze sozialer Kommunikation gelten sogar für die Predigerbrüder.

Zweiter Punkt der Debatte: Eine derartige Kommunikation, die mehrere heterogene Fragen „prophetisch“ vermischt, programmiert sie, in der Sprache des Handelns ausgedrückt, ihr eigenes Scheitern. Im Namen eines bekanntermaßen unmöglichen Ideals verzögert sie das, was möglich ist.

Die Autoren des Reports achten darauf, in Englisch zu kommunizieren, haben also auch Zugang zu den angelsächsischen Medien. Sie wissen also Bescheid über die wirklichen Auswirkungen der Ordination eines homosexuellen Bischofs in der Episkopalen Kirche der USA: auf nationaler Ebene die Schaffung neuer schismatischer und konkurrierender Bistümer; auf Weltebene ein Bruch in der Anglikanischen Gemeinschaft. Wie könnte die anglikanische Kirche von Nigeria, die größte der Welt, dies in einem Land akzeptieren, in dem der Islam mit seiner großen Majorität zutiefst fundamentalistisch ist? Die weltweite Gemeinschaft ist ein sehr wichtiges christliches Anliegen: Lässt sie sich erreichen, wenn die Amtsträger der Gemeinschaft zur Ursache des Schismas werden? Mehr noch, hat ein solcher Kampf gegen die Homophobie, der unlösbar mit dem kulturellen Imperialismus des Westens verbunden gilt, diese Homophobie nicht in zahlreichen Regionen der Welt wieder verstärkt? Und können schließlich diejenigen, die sich in ihrem Schisma isolieren, noch auf die weitere Anglikanische Gemeinschaft Einfluss nehmen? Kann dieses Resultat den „Militanten“ zur Freude gereichen? Kommt es ihren Absichten zugute?

Kommen wir zu unserem Thema zurück. Als die Autoren ein Kriterium formulierten, das die Ordination verheirateter Männer, christlicher Frauen, homosexueller Männer oder Frauen in einen Topf wirft, wussten sie um diesen Präzedenzfall, der geradezu ein Schulbeispiel ist. Wer sieht nicht, dass der Report so die reelle Möglichkeit, verheiratete Männer zu ordinieren, in die Ferne rückt? Führt der Wille, alles zu verändern, nicht dazu, dass sich nichts verändert? Auf dem Feld des Handelns kennt schon jeder die Antwort.

Aber der Report geht noch weiter: Seinem Diskurs der Überzeugung fügt er noch einen Aufruf zum Handeln hinzu: „Wir plädieren dafür, dass die Pfarreien dabei mit mehr Selbstvertrauen und Mut handeln.(17) Das läuft darauf hinaus, dass diese Pfarreien dazu ermuntert werden, sich selbst zu exkommunizieren, wenn sie zu einer solchen Tat übergehen. Dabei schrieb schon Ignatius von Antiochien um das Jahr 120: „Dass diese Eucharistie allein als legitim zu betrachten ist, wenn sie unter dem Vorsitz des Bischofs oder dessen geschieht, der mit ihm betraut ist(18), und dass im Jahr 2007 eine jede katholische Eucharistie damit fortfährt, den Ortsbischofs zu nennen!

Es isT deutlich: der Report läuft nicht nur Gefahr, die Polarisierung inmitten der niederländischen Kirche zu vertiefen, sondern läuft auch Gefahr, im Rahmen der Feier des Sakraments der Einheit zu einem Schisma zu ermutigen.

Folgerung

Am Ende dieser ersten Lektüre in Begriffen der Kommunikation zeigen sich für den Orden der Dominikaner zwei Folgerungen:

1) Der Report und seine Verbreitung halten sich keineswegs an die Beschlüsse des Provinzialkapitels.

Man hat die Forderung, alle interessierten Parteien (all interested parties, S. 5) in die Debatte einzubeziehen, nicht erfüllt. Man hat keine Expertenkommission mit der Fähigkeit eingesetzt, in eine „neue und vertiefte Diskussion“ (S. 6) einzutreten oder eine „Strategie der Kommunikation“ (S. 6) zu entwickeln. Eine Analyse, die die Basis der Hierarchie entgegenstellt, bringt nichts Neues; das unkritische Vertrauen in die Basis ist nicht sehr wissenschaftlich; mit der Vermischung von Expertise und prophetischen Handlungen präsentiert man keinen strategischen Plan.

2) Der Report und seine Verbreitung sind auch auf der Ebene der Lehre fragwürdig, weil sie sich auf unangemessene Methoden des Denkens und Handelns berufen.

Der Provinzial der Niederlande und sein Rat haben nicht kritisch genug auf ihre Methoden des Denkens und Handelns geachtet. Eine fruchtbare Debatte mit ihnen muss durch diese Bewusstseinfrage hindurch. Es wäre ein Irrtum, sie direkt auf „Gründe der Lehre“ hinzuweisen, so sehr man das auch tun kann und tun muss. Denn nur diejenigen Autoren können diese Gründe der Lehre ablehnen, denen es evident ist, dass sie die gute Lösung vorgetragen haben und sie die Repräsentanten einer offenen evangelischen Theologie seien, dies gegenüber den „Autoritäten“, die das Evangelium durch ihren legalistischen Institutionalismus und ihre kulturellen Archaismen verraten. Wenn man zu einer wirklichen Debatte über die Lehre kommen will, muss man zuerst begreifen, wie sich die Interessierten in einer solchen Geisteshaltung festlegen konnten.

III. Die im Report vorgeschlagenen Lehrkriterien können die den Pfarreien empfohlenen Initiativen nicht begründen

Um die Richtigkeit der den Pfarreien empfohlenen Initiativen zu prüfen, beziehe ich mich auf die Anforderungen des Provinzialkapitels. Es verlangt, dass eine aus „Experten bestehende Arbeitsgruppe die theologischen Aspekte der Frage studiert“ (S. 5) und zu „einer erneuten und vertieften Diskussion“ beiträgt (S. 6). Nach meiner Meinung jedenfalls entspricht der gegenwärtige Text nicht den Anforderungen, denn in einigen Einzelaussagen ist er zu schwach (3.1). Es ist irrig in den Fundamenten, die er der den Pfarreien empfohlenen Initiative zu geben versucht: Diese sollten das Herrenmahl von einem Christen oder einer Christin feiern lassen, dessen/deren Ordination der Bischof verweigert hat (3.2).

3.1.    In Einzelaussagen zeigt der Report viele Schwächen

Der Report wollte zugleich ein Report „von Experten“ und ein Appell an alle Pfarreien des Landes sein. Vielleicht ist das die Quelle von ziemlich großen historischen Vereinfachungen und vieler, zumindest annähernder Lehrbehauptungen. An einer für das Gesamt typischen Stelle (S. 18, o.) lässt sich das illustrieren.

Dort ist zu lesen, „im Laufe der Geschichte“ (sic) sei man zu einer „pyramidalen“ Sicht gelangt. Sie wird in Begriffen von Pseudo-Dionysius beschrieben, der jedoch auf die liturgischen Texte des Westens keinerlei Einfluss hatte(19). Auch im 12. Jahrhundert hat er das Gleichgewicht der Ämter nicht berührt, das vom seligen Guerric d’Igny wie folgt beschrieben wird: „Wir sollten nicht glauben, dass diese hier besprochenen Tugenden nur für den Priester notwendig seien, als ob er allein konsekrieren würde, als ob er allein das Opfer Christi darbrächte. Er opfert nicht allein, er konsekriert nicht allein, sondern die gesamte Gemeinde der Glaubenden, die sich um ihn schart, konsekriert mit ihm und bringt mit ihm das Opfer dar.“(20)

Gewiss, an diesem Punkt werden der Hl. Thomas von Aquin und die Scholastik einen Bruch einführen, indem sie das Handeln der Amtsträger nach der Aristotelischen Kategorie als Instrumentalursache begreifen, doch das führt zum Ausschluss der dionysischen Perspektiven. Tatsächlich reduziert sich der „Verlauf der Geschichte“ auf den unleugbaren Einfluss von Dionysius auf das Priesterbild der École Française, der im 19. Jh. auf breite katholische Sektoren übergreift.

Der folgende Absatz behauptet, sicher aus Zerstreutheit zweimal, dass in der katholischen Theologie „die Sakramente nur wirksam sind, wenn sie von ordinierten Amtsträgern gespendet werden“ (21), denn Christinnen und Christen können im Notfall taufen und sie sind die Spender ihrer eigenen Ehe, die Anwesenheit ihres Pfarrers verhindert nur, dass ihr Akt geheim (klandestin) bleibt. Aber man unterstützt auch gleich drei Mal den Gedanken, durch seine Ordination sei „der Priester in seinem Wesen verändert („essentially changed“), denn seine ganze Person und sein Wesen werden geheiligt“. Man findet, wohlgemerkt, so etwas nicht bei Thomas von Aquin oder in der Scholastik, für die die Gnade der Ordination eine Gnade für die anderen Christen ist und nicht für den Priester selbst: auch die mittelmäßigsten Handbücher lehren am Vorabend des 2. Vaticanum nichts anderes(22).

In der Folge des Textes wird behauptet, „auf diese Weise entsteht (comes into being) ein ‘Unterschied im Wesen’ zwischen Laien und ordinierten Amtsträgern, der unzerstörbar ist“. Das Adjektiv „unzerstörbar“ muss ein Hinweis auf die Tatsache sein, dass man die Taufe, die Firmung und die Ordination nicht zwei Mal empfangen kann, eine Tatsache, die das Konzil von Trient als das Einprägen eines „unauslöschlichen Merkmals in die Seele“ versteht. Aber dennoch hat es nicht gelehrt, dass dieses Merkmal eine ontologische Transformation beim Priester bewirke(23), was hier wiederholt wird(24), und was man auch in den späteren theologischen Manualien vergeblich sucht(25). Sollte ein solcher Irrtum auf dem Popularniveau mancher niederländischer Katholiken verbreitet sein, dann hätten dies die Experten korrigieren müssen. Hier, in einem konfessionell gespaltenen Land, übernehmen sie für sich ein protestantisches Vorurteil, das man sogar in wissenschaftlichen Enzyklopädien findet(26).

Man mag einwerfen: Gewiss ist es schade, dass die Pfarrangehörigen ungenaue und selbst irrtümliche Informationen erhalten. Aber ist das angesichts des Grundproblems, mit dem sich der Report auseinandersetzt, kein „Mückensieben und Verschlucken der Kamele“ (Mt 23, 24)?

Gerade weil das vom Report besprochene Grundproblem so wichtig ist, müsste die Kompetenz der beanspruchten Expertise sicher sein. Obige Ausführungen haben gezeigt, dass sie nicht von erster wissenschaftlicher Qualität ist(27). Bleibt noch festzustellen, dass sie im Wesentlichen noch unzureichender ist.

3.2. Der Report beweist in nichts seine zentrale Behauptung, die Tradition, das 2. Vaticanum und der gegenwärtige theologische Diskussionsstand würden die Authentizität einer Eucharistie bestätigen, die von Christen gefeiert wird, die von Pfarrmitgliedern gewählt, aber vom Bischof nicht ordiniert sind.

Man lese den Appell zur Handlung noch einmal, der den Report beschließt: Man wird drei dort formulierte wesentliche Thesen, eine nach der andern, debattieren müssen. Während die Erste akzeptabel ist, sind die beiden anderen, für die kein Beweis geliefert wird, für die katholische Lehre inakzeptabel.

1) Die Teilnahme der Pfarreiangehörigen an der Wahl der ordinierten Amtsträger ist theologisch legitim:Mit Nachdruck plädieren wir dafür, dass ... die Pfarreien ... aus ihrer Mitte ihre eigenen Gemeindeleiter/innen bzw. eine Gruppe von Gemeindeleiter/innen wählen“ (S. 28).

Diese Teilnahme der Laien beinhaltet keinerlei theologische Schwierigkeit; ihre Realisierbarkeit und Opportunität bleibt jedoch zu prüfen. In jedem Fall zeigt die Geschichte, dass dies in den germanischen Ländern und in Italien bis zur Reformation und sogar darüber hinaus eine häufige Praxis war(28). Bis zu diesem Punkt ist die allgemeine Beschreibung des Reports gut (S. 13 M.; S. 24 u. und S. 25 o.). Sie hätte einfach auf der Tatsache bestehen können, dass die Wahl Teil des Ordinationsprozesses ist; aber die vollzogene Wahl hat zur Ordination nie genügt. Leider schweigt sich Sektion III zur Eucharistie über das strenge Band zwischen eucharistischer und kirchlicher Gemeinschaft aus, was seit den Ursprüngen der Kirche eine absolut einhellige Meinung beinhaltet. Dort wird der Blick auf die Tatsache vernachlässigt, dass das Herrenmahl das Sakrament der Einheit der Kirche ist, denn man findet es normal, dass Nichtchristen daran teilnehmen(29). Der Ermutigung zur Feier der Eucharistie durch einen Christen, den sein Bischof zu ordinieren abgelehnt hat, ist die klarste Verneinung dieses Bandes.

2) Die Feier der Eucharistie durch einen Christen, den der Bischof nicht ordiniert hat, widerspricht der katholischen Lehre und beinhaltet ein schismatisches Verhalten: „Auf Grund der vom Zweiten Vatikanischen Konzil ausdrücklich festgestellten Vorrangsposition von ‚Gottes Volk’ vor der Hierarchie (...) Sollte ein Bischof diese Weihe oder Ordination (dieser oder diesen Personen) verweigern, dann dürfen die Pfarreien darauf vertrauen, dass sie dennoch echt und wahrhaftig („real and genuine“) Eucharistie feiern (S. 28); „Wir plädieren dafür, dass die Pfarreien in dieser Angelegenheit mit mehr Selbstvertrauen und Mut handeln“ (S. 29). 

Die Feier der Eucharistie außerhalb der Gemeinschaft der Kirche und gegen den Ortsbischof wurde von Anfang an als der Beginn und als Zeichen eines Schismas gesehen, so Ignatius von Antiochien (gegen 120)(30), der Hl. Cyprian (gegen 250) (31), der Hl. Hieronymus (Anfang 5. Jh.)(32), der Hl. Augustinus (Anfang 5. Jh. )(33), Papst Pelagius (Mitte 6. Jh.)(34). Übrigens wird seit unvordenklicher Zeit bis heute bei jeder eucharistischen Feier der Ortsbischof kommemoriert, um dies zum Ausdruck zu bringen.

Die Stütze, die man in dem Vorrang des Volkes Gottes vor der Hierarchie auf dem 2. Vaticanum zu finden behauptet, - das einzige angeführte Argument zur Behauptung, eine Eucharistie in der Abweisung der Gemeinschaft des Diözesanbischofs sei „wirklich und authentisch“, ist völlig irreführend: Man kann keinen einzigen Text in diesem Sinn benennen. Wenn es einen gäbe, wäre die Debatte geschlossen.

Die Wirklichkeit des Volkes Gottes(35) impliziert immer schon ein Amt, das zugleich in der Kirche ist und ihr gegenüber steht(36). Wenn man dieses „in“ und dieses „gegenüber“ unterdrückt, hat man den fundamentalen Schlüssel sowohl für die Identität der Ämter als auch für die Gemeinschaften als Ortsgemeinschaften verloren(37).

Die Ortgemeinschaft, die beschließen würde, der Aufforderung des Reports zu folgen, würde für eine Ekklesiologie optieren, die der Ekklesiologie des Volkes Gottes den Rücken kehrt, um sich in eine Sekte aufzulösen. Sie würde auch einer reformierten Ekklesiologie den Rücken kehren, die ausnahmsweise und im Notfall gewiss zugesteht, dass Nicht-Ordinierte dem Abendmahl vorstehen, dies aber obligatorisch mit einer Delegation durch die pastorale Autorität und nicht gegen diese Autorität. Kein Theologe, zu welcher Kirche er auch gehört, wird in dem Report die Ekklesiologie der katholischen oder der orthodoxen Kirche wiedererkennen: Beide legen ein unzerbrechliches Band zwischen der eucharistischen und der kirchlichen Gemeinschaft. Wer dieses grundlegende Band (vgl. 1 Kor 11,17-34) ablehnt, schafft keine Lösung. Im Gegenteil, der drängt darauf, dass man Pastoren weiht. Die Pfarreien dazu aufzufordern, in diesem Sinne zu handeln, bedeutet schlichtweg eine Aufforderung zum Schisma.

3) Die Aufrufe zur Handlung sind weder im 2. Vaticanum noch in theologischen Arbeiten begründet. „Schließlich unterstreichen wir noch einmal, dass unsere These auf den Erklärungen des 2. Vaticanum und auf theologischer und pastoraltheologischer Fachliteratur begründet ist.“ (S.29)(38) 

Vergebens wird man auch nur einen einzigen Text des 2. Vaticanum finden, der vom Report vorgeschlagenen Handlungen begründen kann. Weder der Buchstabe noch der „Geist“ des Konzils rechtfertigen die Feier der Eucharistie, wenn man in dieser Handlung selbst die Gemeinschaft mit dem Bischof ablehnt. Lumen Gentium lehnt dies explizit ab(39).

In der abschließenden Bibliografie, die sich auf die theologischen Autoritäten beruft, wird man auch vergeblich eine genaue und verifizierbare Stelle finden, die diese These begründet. Zwar schließt P. Schillebeeckx hypothetisch nicht aus, dass eine Eucharistie in Abwesenheit des Priesters im Fall extremer Not (Verfolgung) möglich wäre, doch belässt er diese Hypothese im Stand einer Hypothese(40). Mehr noch, er hat in keiner Weise den Fall im Blick, dass ein Christ, den sein Bischof zu ordinieren abgelehnt hätte, was eine ganz andere Situation ist, der Eucharistie vorstehen könnte(41).

Die Pfarrangehörigen, an die sich der Report wendet, haben in dieser Sache dieselben ernsten Anforderungen wie in anderen Fragen ihres normalen Lebens: Wenn einer von ihnen von einer schweren Krankheit betroffen ist, werden sie einem anerkannten Mediziner der medizinischen Fakultät vertrauen; im Falle eines Rechtskonflikts vertrauen sie einem Advokaten, der zum Stand der Advokaten gehört usw. Im vorliegenden Fall werden sie sich sicher fragen, ob sie eine Aussage für wirklich theologisch akzeptieren können, die keine theologische Fakultät auf der ganzen Welt unterstützen würde.

 

Allgemeine Folgerung

Könnte der Predigerorden noch mehr als die theologischen Fakultäten die Folgerung eines Reports akzeptieren, der im klaren Widerspruch zur katholischen Lehre angesichts der gesamten Welt alle Pfarreien des Landes dazu aufruft, zur Aktion überzugehen? Niemand wird erstaunt sein, dass der Magister des Ordens, der zuvor nicht informiert war, für eine zudem öffentliche Initiative seine eigene Verantwortung ergreift: Seine Gespräche mit den Verantwortlichen der Provinz können sich vermutlich nicht auf das Niveau einer Debatte beschränken. Er wird mit seinem Rat darüber zu urteilen haben.

Wenn die Sache ohne Folgen bleibt, kann man der Provinzleitung mitteilen, dass ihr Notschrei an sich gerechtfertigt ist. Es genügt nicht, sie auf ihre Lehrirrtümer und auf ihre ungeschickte Kommunikation hinzuweisen, die so schwerwiegend waren, dass sie die Lösung eines Problems verzögern, das sie dazu brachte, es mit einem Radikalismus auszudrücken, den man mit Nachdruck glaubte kritisieren zu müssen.

Der Report hat recht, wenn er betont, dass aus dem 2. Vaticanum nicht alle nötigen Konsequenzen gezogen wurden. Das ist evident. Im übrigen ist gemäß dem letzten Konzil der aktuelle Status der Priester nicht der einzig mögliche: Presbyterorum Ordinis 16 sagt, dass „vom Priestertum die vollkommene und unbefristete Enthaltung nicht von Natur aus gefordert ist“, und preist die gegenwärtig verheirateten katholischen Priester ohne Vorbehalt(42). Im Licht des letzten Satzes des kanonischen Gesetzbuches („Das Heil der Seelen muss in der Kirche immer das höchste Gesetz sein“) könnten die Hirten das Gesetz des Zölibats ändern, wenn es sich heute als Hauptursache des Priestermangels erweisen sollte.

Dennoch hat die Versendung des Reports an alle Pfarreien des Landes ein ernstes Problem verursacht: Ein solcher Akt überschreitet bei weitem den Appell an die öffentliche katholische Meinung. Mit keineswegs sicheren Gründen enthält es die Einladung, zu evtl. sehr schweren Konsequenzen zu kommen. Wenn die Autoritäten der niederländischen Provinz anerkennen, dass das mehr als eine Ungeschicklichkeit war, könnten sie auf die Hilfe unseres Ordensmagisters rechnen, weit entfernt von allen Schemata in der Gesellschaft, die den religiösen Gehorsam nach dem Modell von „Befehl und Ausführung“ versteht. Es soll eine brüderliche Hilfe sein, in der die sich die Wahrheit von Spr 18,19 erweist: „Ein Bruder, dem von seinem Bruder geholfen wird, ist wie eine befestigte Stadt.“(43)

In dieser denkbaren Situation könnte der Orden vielleicht den aktuellen Text klar ablehnen und öffentlich seine Sorge darüber aussprechen, dass so viele Glieder des Volkes Gottes weiterhin umherirren wie „eine Herde ohne Hirte“ (Mk 6,34).

fr. Hervé Legrand op
maître en théologie
professeur honoraire à l’Institut Catholique de Paris



(1) Zitiert wird die Seitenzählung der englischen Übersetzung von Kerk en Ambt. Diese Übersetzung ist vertrauenswürdig, denn sie ist das Werk einer der Redakteure des Reports.

(2)(2) D. h. der ganzen Welt, denn das Dokument ist ins Englische übersetzt und über Internet verbreitet.

(3) S. Canon 218: „Die sich theologischen Wissenschaften widmen, besitzen die gebührende Freiheit der Forschung und der klugen Meinungsäußerung in den Bereichen, in denen sie über Sachkenntnis verfügen, dabei ist der schuldige Gehorsam gegenüber dem Lehramt der Kirche zu wahren.“

(4) S. Canon 212, § 3: „Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung haben sie das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen Gläubigen kundzutun.“

(5) 1 Kor 10, 15.

(6) 2 Thess. 5, 19-22.

(7) Dieser Typ der Kommunikation mit seiner inneren Widersprüchlichkeit wurde insbesondere von P. Watzlawick untersucht, s. ders., zus. mit J. Helmick Beavin u. D. Jackson, Pragmatics of Human Communication. A Study of Interactional Patterns, Pathologies and Paradoxes, New York 1967 (franz. Übers. Une logique de la communication, Paris 1972).

(8) Im englischen Text S. 14 u. und S. 15 o.

(9) T. Ruinart, Acta primorum martyrum sincera, Paris 1649, S. 414. So hat die Italienische Bischofskonferenz ihren Hirtenbrief über den Sonntag tituliert: „Senza la domenica non possiamo vivere“, in: Il Regno-documenti 3/2005, 78-80. Glücklicherweise gab sie denselben Titel dem Eucharistischen Kongress, den sie im Mai 2005 in Bari organisierte.

(10) S. 5 (englischer Text).

(11)create an open dialogue in which all interested parties might participate” “think of a strategy to facilitate this open dialogue”, S. 5, Z. 1 und S. 3 u.

(12) Vgl. die vorhergehende Anmerkung.

(13) So wird auf S. 13 vor dem letzten Abs. vorgeschlagen: „eine von oben und von unten kombinierte Aktion“; ebd. S. 14, Abs. 2; Analoge Forderung S. 19 u.; S. 25 Abs. 2 spricht von der Teilnahme des Vorstehers der benachbarten Gemeinschaften bei der Ordination des Ortsbischofs.

(14)renewed discussions on a deeper level“, S. 6 u.

(15) „Those who preside in local celebrations (…) whether they be men or women, homo- or heterosexual, married or unmarried is irrelevant.“ (S. 28 o.)

(16) So sind S. 13-14 sehr normativ, obwohl sie im analytischen Teil stehen.

(17) S. 29, Z. 1: „We urge parishes to act in this way with a great amount of self-confidence and courage“.

(18) An die Christen von Smyrna, VIII, 1 (Sources chrétiennes, S.162-163).

(19) Es lässt sich leicht zeigen, dass Dionysius die westliche Liturgie nicht beeinflusst hat, s. z.B. Benedicta Droste, „Celebrare“ in der römischen Liturgiesprache. Eine liturgie-theologische Untersuchung (Münchener Theologische Studien. II Systematische Abteilung, Bd. 26), Max Hueber Verlag, München 1963. Droste beschließt ihre These: „’celebrare’ ist immer eine Handlung vom gemeinschaftlicher und öffentlicher Natur“. Oder auch Rupert Berger, Die Wendung „offerre pro“ in der römischen Liturgie (Litugiegeschichtliche Quellen und Forschungen 41), Aschendorff, Münster 1965; er zeigt, dass der Priester nicht an Stelle der Gläubigen opfert, als ob sie nicht mit vollem Recht opferten.

(20) Sel. Guerric d'Igny, Predigt 5 zum Fest Maria Lichtmeß, PL 185, 87: „Neque credere debemus quod soli sacerdoti supradictae virtutes sint necessariae, quasi solus consecret et et sacrificet corpus Christi. Non solus sacrificat, non solus consecrat, sed totus conventus fidelium qui astat, cum illo consecrat, cum illo sacrificat“.

(21) „So werden die Sakramente zu wesenhaften ‚Gnadenmitteln’, die nur funktionieren können, wenn sie von geweihten Amtsträgern gespendet werden.“ (S. 18) Man kann da noch lesen, dies sei „in ein juridisches System gebracht, das schließlich in ein kirchliches Gesetzbuch mündete“, und es wird wiederholt: „Dadurch ist (der ordinierte Priester) als der einzige befugt, ‚gültige’ (d.h. juridisch anerkannte) sakramentale Handlungen zu verrichten.“

(22) Nach Thomas von Aquin, Contra Gentiles IV, 74, ist diese Gnade durch den „Aufbau“ der Kirche gegeben; er fügt hinzu, dass „die Gnade Gottes dem Amt zu Hilfe kommt“. Das sehr repräsentative Handbuch von J. M. Hervé (Manuale theologiae dogmaticae. Nova editio a C. Larnicol recognita. Paris 1962, S. 409; 50. und letzte Ausgabe), sagt nur, dass die Ordination „eine Vermehrung der Gnade eingießt“ bei dem, der schon die heiligmachende Gnade hat. Das ist so, „damit der Ordinierte die Sakramente würdig austeilen kann“. Von einer ontologischen Transformation wird absolut nichts gesagt!

(23) Man kann darüber nachlesen in der vor dem 2.Vaticanum geschriebenen These des belgischen Jesuiten und Dogmatikprofessors an der Gregoriana (Rome), J. Galot, La nature du caractère sacramentel. Étude de théologie médiévale, Bruges, 1957, vor allem S. 224: „Trient wollte ausdrücklich eine jede Bestimmung vermeiden, die die Natur dieses Merkmals betrifft und verdammt keine einzige Schulmeinung, nicht einmal die von Durand de Saint Pourçain“. Dort kann man ferner lesen: „(Trient) lässt ausdrücklich eine Qualifikation des Dekrets zu den Armeniern fallen, weil sie sich für eine bestimmte Meinung über die Natur und die Funktion der Merkmals einsetzt“.

(24) Zum dritten Mal S. 19, Z. 1: „In eine andere Seinsordnung erhoben“.

(25) Vgl. Anm. 22.

(26) C. H. Ratschow (Universität Marburg) behauptet in der Theologischen Realenzyklopädie Art. Amt/Ämter, S. 611: „Es bleibt im Katholizismus zwischen gläubigen Christen und dem Träger des Amtes ein Wesensunterschied (LG 10). Dies ist in den evangelischen Erfassungen des Amtes aber nicht der Fall.“ Zu finden ist dieselbe irrtümliche Interpretation von Lumen Gentium 10 bei P. L. Dubied (Neuchâtel) in der Encyclopédie du Protestantisme (Ed. du Cerf, 1995), Art. Prêtre, S. 1208: „Des aspects (de) la figure du prêtre de l'Église romaine du XVIe siècle demeurent jusqu'au concile Vatican II inclus (cf. la différence d'essence liée au ministère ordonné)“.

Im Folgenden der Text von Lumen Gentium: „Das gemeinsame Priestertum (sacerdotium commune) der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum (sacerdotium ministeriale seu hierarchicum), unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach (licet essentia et non gradu tantum differant). Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil.“ Man kann das nicht verstehen wie die Protestanten, indem man bei der Vermengung von Person und Funktion dort Priester (als Personbegriff) liest, wo das 2. Vaticanum Priestertum (als Handlungsbegriff) geschrieben hat!

(27) Die Theologen werden feststellen, dass die liturgische Erneuerung darauf kaum Einfluss hat: Quasi-Abwesenheit der Epiklese; ungenügende Artikulation zwischen einer/alle/einige (S. 13 der Wunsch, dass alle die Konsekrationsworte aussprechen, ist nicht grundsätzlich zurückzuweisen, sondern eine gute Entwicklung, S.14); die Fixierung auf die Konsekration der Hostien ist glücklicherweise als Ambiguität kritisiert, aber kaum verbessert, obwohl sie sich durch die ganze Enquete zieht. Zwar wird die Reduktion des Presbyterats auf das priesterliche Amt beklagt, aber ihre Besonderheit als Dienst des Wortes und als Hirtendienst ist nur wenig entwickelt: es entsteht der Eindruck, als sei der Priester der „Absolvent gültiger Messen“.

(28) Vgl. D. Kurze, Pfarrerwahl im Mittelalter, Köln, Böhlau Verlag, 1966. Diese Wahl hält sich immer formell durch, z.B. in der Diözese Sankt Gallen in der Schweiz.

(29) Wie man es im Report auf S. 22 lesen kann, wenn wir es richtig verstehen: „Die Mahlgemeinschaft ist also auch für Menschen aus anderen religiösen Traditionen offen“. Man schrieb nicht „christliche Traditionen”.

(30) Vgl. Brief an die Christen von Magnesia 7, 2 (Sources chrétiennes 10 bis, S. 101).

(31) Um 250 schreibt der Hl. Cyprian: „Glaubt denn mit Christus zu sein, wer im Gegensatz zu den Bischöfen feiert? (…) wer wagt es, in Verachtung der Bischöfe einen anderen Altar zu errichten?“, L’unité de l’Église 17 (Sources chrétiennes 500, S. 224-227); s. auch seinen Brief 43,5 „Ein anderer Altar kann nicht errichtet, ein anderes Priestertum nicht eingerichtet werden außerhalb des einzigen Altars, des einzigen Priestertums“; ferner Brief 73,2, wo er das Schisma des Novatian beschreibt, dass es „den Altar gegen den Altar errichte und illegitime Opfer darbringe“.

(32) „Ein einziger Altar besagt: ein einziger Glaube, eine einzige Taufe, eine einzige Kirche“, In Isaiam prophetam, 5, 19 (PL 24, 186).

(33) „Wenn wir in der Einheit sind, warum zwei Altäre in derselben Stadt?“, In Epist. Joh. 3, 7 (PL 35, 2001).

(34) „Es gibt nur einen einzigen Leib Christi, nur eine einzige Kirche. Ein vom Rest des Leibes getrennter Altar kann den Leib Christi nicht wahrhaftig heiligen.“ Ep 24, 14 (hg. Gasso-Battle, S. 76).

(35) Der Dominikaner Y. Congar, der für die Interpretation von Lumen Gentium doch wohl einige Autorität besitzt, versteht die Konstitution über die Kirche ganz anders: „Die Kategorie Volk Gottes erlaubt es, die Gleichheit aller Gläubigen in ihrer Würde der christlichen Existenz und zugleich (kursiv vom Autor) die organische oder funktionale Ungleichheit der Glieder zu begreifen“ und er fügt hinzu: „die Idee des Volkes Gottes, theologisch und pastoral so reich, reicht allein nicht aus, um die Wirklichkeit der Kirche zu begreifen“, „Die Kirche als Volk Gottes“, Concilium 1, 1965, S. 5-16.

(36) Darauf wurde im Report S. 13 hingewiesen, als man die Ordination als „kombiniertes Handeln von ‚unten’ und ‚oben’“ beschrieb, oder in einem etwas glücklicheren Vokabular auf S. 25 sagte: „Die Handauflegung der Leiter der benachbarten Kirchen bringt die Kollegialität unter den Ortsgemeinden zum Ausdruck.“

(37) Kardinal W. Kasper gründet auf diesem Punkt folgendes Axiom: „Eine Kommunität ohne Priester ist ein Widerspruch in sich, und eine Feier der Eucharistie ohne priesterliches Amt ist eine unmögliche Sache. …Das gilt auch für die Situationen von äußerster Not (…) Diese Regel gilt umso mehr für unsere Situation eines relativen Priestermangels, d.h. dass Priester nur von Priestern ersetzt werden können“, Sacrement de l’unité. Eucharistie et Église, Paris, Éditions du Cerf, 2005, S. 25 (Original: Sakrament der Einheit. Eucharistie und Kirche, Freiburg i. B., 2004).

(38) „Zum Schluss weisen wir noch einmal drauf hin, dass dieses Plädoyer auf Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils sowie auf theologischer und pastoraltheologischer Fachliteratur beruht, die seit diesem Konzil in Büchern und Zeitschriften erschienen ist.“

(39) Die dogmatische Konstitution über die Kirche sagt ausdrücklich „jede legitime Eucharistiefeier wird vom Bischof geleitet“ (Nr. 26).

(40) Im Epilog der französischen Übersetzung des Plaidoyer pour le peuple de Dieu, Paris 1987, erkennt er an, dass „dass die Beweislast für außerordentliche Feiern auf den zurückfällt, der sie für legitim erachtet“, S.301, und man kann da lesen: „meine Ergebenheit gegenüber der Konstitution (Lumen Gentium) ist vollständig“, S. 303. Vgl. die vorige Anmerkung.

(41) Vielleicht kommt eine solche Position auch bei den niederländischen Autoren zum Ausdruck, die die englische Übersetzung des Reports allerdings nicht zugänglich machte.

(42) PO 16 fährt fort: Das Heilige Konzil ermahne „voll Liebe diejenigen, die als verheiratete Männer das Priestertum empfingen, sie möchten in ihrer heiligen Berufung ausharren und weiterhin mit ganzer Hingabe ihr Leben für die ihnen anvertraute einsetzen.“

(43) Dieser Text kehrt in der Form der Septuaginta, dann der Form der Vulgata im Osten wie im Westen immer wieder zurück, um die synodale Leitung des Kirche zu illustrieren: „Frater, qui adjuvatur a fratre, quasi civitas firma et iudicia quasi vectes urbis sunt“; wörtlich: Ein Bruder, der von seinem Bruder unterstützt wird, ist wie ein befestigter Ort und ihre Urteile sind wie die Riegel einer befestigten Stadt.

Dies ist die deutsche Übersetzung des Briefes des Magisters des Ordens der Predigtbrüder und des beigefügten Dokument von P. Hervé Legrand.
Veröffentlicht unter Verantwortung von der Stiftung Kerk Hardop, Niederlanden. 


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